Wer hat Angst vorm Schwarzen Loch?

 

Mit Unbehagen beobachte ich in der letzten Zeit eine Entwicklung in den populärwissenschaftlichen Medien. Ich meine damit die reißerischen Themen „ schwarze Löcher, Stringtheorie, Wurmlöcher„. 

Sicher ist es in einer Wissenschaft, die im Endeffekt keinen direkten wirtschaftlichen Gewinn abwirft, legitim, neue Erkenntnisse so interessant  wie möglich darzustellen, um das Interesse der Öffentlichkeit wach zu halten.

Sicher wäre die Darstellung der neuesten Forschungsergebnisse aus der Astronomie außerhalb unseres Sonnensystems, in Form von Diagrammen, Tabellen und zweidimensionalen Sternabbildungen sicher nicht geeignet breite Schichten der Bevölkerung  zu erreichen. Schließlich ist ja auch der Rückhalt aus Politik und Gesellschaft für die Unterstützung und Finanzierung weiterer Forschung unerlässlich.

Was ist jedoch, wenn man sich der Effekthascherei wegen auf das Gebiet der Spekulation begibt?

Für Spekulationen sollten folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

1.        Sie dürfen nicht den Naturgesetzen widersprechen.

2.        Sie dürfen nicht den Beobachtungen widersprechen

3.        Sie sollten als Spekulationen und nicht als Erkenntnisse erkennbar sein.

 

Immer wieder hört, oder ließt man von „alles verschlingenden schwarzen Löchern. Sogar ganze Sterne seien davor nicht sicher. Und dann diese Wurmlöcher. Isaak Asimov schrieb in einem seiner Bücher von regelrechten Reiseruten, die man kreuz und quer durch das Weltall per Wurmlöchern verwirklichen könne. Die Schöpfer dieser Gedanken haben echte Knüller gelandet, die mit Begeisterung von vielen Wissenschaftsjournalisten aufgegriffen, ausgeschmückt, und damit zu Selbstläufern wurden. Was ist Fantasie und was ist Wirklichkeit. Dazu sollen einige Szenarien näher betrachtet werden.

Um mit einem weit verbreiteten Missverständnis aufzuräumen: Ein Schwarzes Loch hat bei gleichem Abstand keine größere Anziehungskraft, als ein Stern mit gleicher Masse. Angenommen, die ganze Masse der Sonne wäre auf einem einzigen Punkt konzentriert, also ein schwarzes Loch, so würden sich die Umlaufbahnen der Planeten um keinen Zentimeter ändern und von Verschlingen kann keine Rede sein. Natürlich wären die Verhältnisse innerhalb des ursprünglichen Sonnenradius` anders.

Nahe Begegnungen von Sternen untereinander, oder mit Schwarzen Löchern, dürften äußerst selten sein. Abgesehen von Doppel und Mehrfachsystemen, haben  Sterne im Durchschnitt sehr große Abstände. Um sich die Dimensionen klarzumachen, stelle man sich Folgendes vor: Man reduziere den Durchmesser eines Durchschnittssterns auf  die Größe einer Apfelsine in Berlin, so befindet sich im selben Maßstab der nächste Stern ca. 3000 km entfernt, also etwa in Kairo. Zwar haben Sterne teilweise sehr schnelle Eigenbewegungen von mehreren 10 km/s, trotzdem sind enge Begegnungen äußerst selten. Ein stark vereinfachendes Gedankenexperiment soll das verdeutlichen:

 

Man bilde um einen Stern im Abstand von 3,8*1013 km (4 Lichtjahre) eine gedachte Kugeloberfläche von 1,8*1028 km2. Auf dieser Oberfläche könnte der Stern auf 6 Nachbarsterne treffen, wovon aber nur die Hälfte berücksichtigt wird, weil nach der statistischen Wahrscheinlichkeit nur jeder zweite Stern eine negative Differenzgeschwindigkeit (Annäherung) haben sollte. Bei einer Reisegeschwindigkeit von 6,31*108 km/Jahr (durchschnittliche Relativgeschwindigkeit der Sonne zu den Nachbarsternen) erreicht unser Modellstern diese Oberfläche in 60 000 Jahren. Die Kollisionswahrscheinlichkeit vergrößert sich, wie oben erwähnt, durch die sich zueinander verbiegenden Flugbahnen bei der Annäherung.

 

Es ergibt sich eine Gesamttrefferfläche von 1,6*1014 km2. Diese Fläche passt 1,9*1014- mal in die gedachte Kugeloberfläche. Wenn man die Reisedauer des Sterns bis zur gedachten Kugeloberfläche mit der letzten Zahl multipliziert, erhält man die durchschnittliche Zeit, die ein Stern braucht, um auf einen Nachbarstern zu treffen. Sie beträgt unvorstellbare 6,7*1018 Jahre. Nach dem Passieren der gedachten Oberfläche, tritt der Stern in den nächsten Kugelraum, usw., usw. Die Kollisionswahrscheinlichkeit bleibt jeweils gleich. Die Häufigkeit der Treffer in der Galaxis wäre 200 Milliarden mal so groß. Das sind aber immer noch 34 Millionen Jahre/tK in unserer Galaxis.

 

Die Wahrscheinlichkeit, dass Doppelsterne durch Einfang entstanden sind, ist sehr gering. Doppelsterne dürften aus diesen Gründen in der Regel, Zwillinge von Geburt an sein. Diese Erkenntnis ist ein wichtiger Aspekt für die Untersuchung der Sternentwicklung. Diese Rechnung mit Durchschnittssternen und relativ großen Sterndurchmessern zeigt die Unwahrscheinlichkeit von Kollisionen in der Galaxis. Eine Rechnung mit einem schwarzen Loch als Ziel würde noch „astronomischere“ Zahlen ergeben, zwar ist die Schwerkraftwirkung in unmittelbare Nähe, größer, aber die Einfangfläche und die Häufigkeit erheblich geringer. Im Milchstraßenzentrum soll ein massereiches Schwarzes Loch sein Unwesen treiben, und mit seiner ungeheueren Anziehungskraft Nachbarsterne zu Trabanten degradieren. Unser Sonnensystem wird das Galaxienzentrum allerdings nie passieren, sondern immer der Scheibenpopulation angehören.

 

Unter bestimmten Bedingungen können durch Einfang auch Doppelsterne entstehen. Voraussetzung dafür sind die „richtigen“ Werte für v, und hz. Wenn hz und v so groß sind, dass die Gravitationskraft der Fliehkraft entspricht, entstehen für beide Sterne Ellipsenbahnen, mit einem Brennpunkt im gemeinsamen Schwerpunkt. In allen anderen Fällen ziehen die Sterne auf Parabel- oder Hyperbelbahnen aneinander vorbei.

 

Werner Hartmann

 

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